Hanfkalk als Innendämmung im Fachwerkhaus?

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hanfkalk-innend-mmung-unterschiedlichen-i27943_202162713111.jpgHat jemand Erfahrungen mit Hanfkalk als Innendämmung einer Sichtfachwerkwand, der hinter einer wandernden Schalung erdfeucht eingebracht wird? Ich habe dieses Verfahren getestet und plane, es anzuwenden aus folgenden Überlegungen:

1.) eine vergleichsweise homogene, weitestgehend hohlraumfreie Verbindungen zur Wand kann damit hergestellt werden

2.) Hanfkalk besitzt gute Eigenschaften hinsichtlich Feuchtetransport und -speicherung

3.) Hanf und Kalk sind derzeit auf dem angespannten Baustoffmarkt einfacher und günstiger zu bekommen als Dämmstoffe aus Holz

Das Foto zeigt einen Versuchsaufbau mit unterschiedlichen Mischungsverhältnissen (aus unterschiedlichen Quellen im Internet) von Hanfschäben, Weißkalkhydrat und Wasser sowie in der unteren Testfläche einem sehr geringen Anteil Zementkalk als hydraulisches Bindemittel.

Worauf ist bei dieser Dämmung besonders zu achten? Welche neueren Erfahrung und Erkenntnisse hinsichtlich Verarbeitung und Langzeitverhalten gibt es in diesem Forum?

P.S.:
Die Forum-Beiträge aus dem Jahr 2014 mit dem Titel "Erfahrungen mit Kalk Hanf Gemisch?" sind mir bekannt. Vielleicht gibt es ja mittlerweile neuere Erkenntnisse.

Viele Grüße
Joju
 
Hanfkalk wird seit über 20 Jahren in Frankreich eingesetzt und wurde dort ursprünglich für die Ertüchtigung von Fachwerkausfachungen entwickelt. Mittlerweile sind dort auch Ausführungsregeln etabliert "Les Règles Professionnelles d'Exécution et d'Ouvrage en Béton de Chanvre"

Auch in Italien und Großbritannien hat das Verfahren Verbreitung gefunden.

Die Ausführung einer Innendämmung als Vorsatzschale ist darstellbar. Hierfür wird eine Stützkonstruktion aus Holzleisten erstellt. Diese Stützleisten werden bevorzugt im Raster von etwa 80 Zentimetern angeordnet und sind entweder trapezförimig ausgeformt oder durch seitliches annageln von kleinen quadratischen Leisten als T-Profil ausgebildet. Die Hölzer werden in die Vorsatzschale mit eingebaut.

Die notwendige Überdeckung ergibt sich aus der breite der Hölzer. Die wiederum aus der beabsichtigten Dämmstärke abzüglich der Mindestdicke der Hölzer von etwa 40 Millimetern resultiert. Im übrigen dienen die Hölzer als lot- und wagerecht nivellierte Befestigung für die Kletterschalung.

Der notwendige Abstand zum Schalbrett wird einfach mit kleinen Holzklötzern hergestellt. Bei der ersten Lage kann das Schalbrett unten auch am Boden befestigt werden und wird mit jeder weiteren Lage gegen die bereits fertige Fläche gestellt.

Die bauseitig herzustellende Hanfkalkmischung richtet sich nach den konkreten Bedingungen vor Ort. Ebenfalls bemisst sich die Art und Menge der Bindemittel nach der angestrebten Verdichtung des Materials. Üblich sind Mischungen aus Weisskalk und Puzzolane oder natürlich hydraulischem Kalk. Für frost-tauwechselbeständige Ausführungen (außen) wird sogenannter Romanzement eingesetzt.

Der Einsatz von Portlandzement hat sich nicht bewährt.

Eine andere Möglichkeit mit deutlich verringerter Trockenzeit wäre Hanfsteine bzw. -platten zu verwenden und nur den Zwischenraum zum Fachwerk mit Hanfkalk zu verdämmen. Die Steine selbst werden mit Kalk dünn vermörtelt. Auch diese Steine oder Platten könnten individuell bauseitig erstellt werden oder sind in vielen Formaten lieferbar.

Ich selbst war schon bei einigen Projekten mit der Ausführung in Hanfkalk befasst und kann dir gerne weiterhelfen.

Für geneigten Kontakt kannst du gerne meine Email (Profil) verwenden.
 
Statt Kalk...

...würde ich eher zu Lehm raten, in Eigenregie mit Hanf, oder als Fertigprodukt mit Kork (Haacke-Cellco). Das Ganze sollte elastischer bleiben, die Ausgleichsfeuchte von Lehm passt besser zum Holz und die Verarbeitung von Lehm sollte für den Laien leichter sein, als Kalk. Nacharbeiten sind mit dem Lehmgemisch gleichfalls einfacher.

Gutes Gelingen wünscht

Thomas
 
lehm-feuchtigkeit-tonminerale-i21116_2021628125631.jpgDie hier im Zusammenhang gemachten Auslobungen die Verwendung von Lehm betreffend, kann nur sehr begrenzt geteilt werden.

Kalkbaustoffe haben eine geringere Ausgleichsfeuchte als entsprechende Baustoffzubereitungen mit Lehm.

Unstreitig sind beide Materialien in der Lage Feuchtigkeit aufzunehmen, im Falle von Lehm auch gut zu speichern. Mit dem höheren Feuchtegehalt korrespondiert auch die "höhere" Elastizität von Lehm. Der geschichtete Aufbau der blättchenartigen Tonminerale "quillt" bei Feuchtigkeit und macht die Struktur verschieblich. Die Tonminerale halten die Feuchtigkeit aber auch ganz gut und lassen sich ebenso zur "Abdichtung" einsetzen.

Kalk hat soweit vortrefflich zubereitet eine schwammartige, mikroporöse Struktur und ist damit im besondern wasserdurchlässiger und hat somit ein hohes Trocknungspotenzial.

Insofern empfehlen sich Kalkbaustoffe dort wo insbesondere ein Übermaß an Feuchtigkeit problematisch ist, Lehm vielmehr dort wo ein temporärer Ausgleich an Feuchtigkeit gewünscht ist.

Betreffend der Zubereitung mit pflanzlichen Leichtzuschlägen, wie in diesem Fall mit dem gebrochen Stängelmark der Hanfpflanze und Lehm ist zu bemerken, das vergleichbare Mischungen eine höhere Rohdichte durch Verdichtung aufweisen werden, zumal sie auch noch mit Sand gefüllt sind (Lehm = Stoffgemisch in absteigender Partikelgröße aus Sand, Schluff , Ton bzw. Tonminerale).

Die Wärmeleitfähigkeit hängt mit der Dichte zusammen. Luft ist demzufolge ein schlechter Wärmeleiter.

So das ich hier, abgesehen von den haufwerksporigen Mischungen mit Kork, sich etwas schlechtere Werte ergeben dürften.

Besser wahrscheinlich die Verwendung aufbereiteter (gemahlen und getrocknet) Tone, dann aber auch deutlich teurer.
Die "erdfeuchte" Mischungen mit Ton und Hanfschäben rotten verhältnismäßig schnell (Weißfäule).

Eher beachtenswert aber ist, das die Baustellenorganisation egal ob Lehm oder Kalk verwendet wird, sich deutlich von der Verarbeitung von Plattenwerkstoffen unterscheidet. Man sollte sich eher Gedanken machen ob man mit dieser "Eskalationsstufe" klar kommt, zu aufwendig darf demzufolge der Aufbau und die Verarbeitung auch nicht sein. Es kommt eben ganz auf die Individuellen Bedingungen an, als das man hier Schlagwortregister bemüht.

Da ja hier schon die praktische Materialprüfung begonnen wurde, wäre es ja gleichfalls empfehlenswert diesen Weg weiter zu folgen und auch die anderen Materialien händisch zu erproben.

Bezüglich der "Elastizität" sei noch angemerkt, das diese bei Verbundmaterialien mit ganz Überwiegenden Gehalten an faserreichen Leichtzuschlägen gegeben sind, die Bindemitteleigenschaft sind hier hingegen subsidiär.

Die Leute von "Cellco Systeme" sind auskunftsfreudig und hilfsbereit und ab und zu hier im Forum präsent, vielleicht kannst du von dort eine Materialprobe erlangen.
 
Alternative

Hallo Joju,

geht es dir bei deinem Vorhaben darum möglichst viel selbst zu machen, bzw. neue/andere Verfahren zu testen? Oder, warum "gibst du dir das"?
Wenn du eine Innendämmschale aus feuchtem Material vor eine Fachwerkwand setzen willst, bedenke bitte, dass die (nach Lehmbauregeln) max. 15 cm dick sein soll/darf, damit sie schnell genug durch trocknet, bevor hinten drin ein Verrottungsprozeß beginnt.
Andere Frage: Hast du schon mal deine Hanfschäben/Kalk-Mischung gewogen, bzw. das Raumgewicht ausgerechnet? Und evtl. versucht einen Lambda-Wert zu ermitteln?
Denn, es gibt von Conluto und Claytec Lehmsteine mit einem Raumgewicht von 700kg/m³, mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,21 W/mk. Wenn du diese als Vorsatzschale vors Fachwerk mauerst und nur den Spalt dazwischen mit deiner Mischung verfüllst, bringst du wesentlich weniger Feuchtigkeit ein. Bzw. die trockenen Lehmsteine ziehen das Anmachwasser der Hanf/Kalk-Mischung schneller von der Fachwerkwand weg.
Ich denke, wenn du eine "klassische" Strohlehm-Innendämmung einbaust, kriegst du bei gleicher Dicke eine bessere Dämmung hin. Resp., die Innenschale muss nicht so dick, wie mit Hanfschäben sein.

Eine wesentlich bessere Dämmung kriegt man auch mit Schilfplatten hin: Wärmeleitfähigkeit: 0,059 W/mK.
Ich habe zwar aktuell nicht nachgefragt, aber denke, dass die von der momentanen "Holzbeschaffungsmisere" wohl eher nicht betroffen sind.

Gruß,
KH
 
Hanfkalkmasse bauseitig hergestellt für beschriebene Vorsatzschale wird eine Dichte von etwa 300 - 320 Kilogramm / Kubikmeter haben Wärmeleitfähigkeit: Lambda = 0,07 - 0,08 W/(m K); spezifische Wärmekapazität: c = 1870 J/kg K; bei 12 cm Phasenverschiebung von 6 Stunden.

Eine Vorsatzschale wird vorzugsweise mit 8 bis maximal 15 Zentimetern Stärke erstellt.

Mit einem gewissen Aufwand lassen sich auch extra leichte Konstruktionen mit Hanfkalk erstellen, dann um
Lambda = 0,06 W/(m K)
 
Hanf-Kalk

Vorweg Gesagt - ich halte von dem Werkstoff sehr viel.
In der passenden Anwendung z.B. auch für die Ausfachung von Gefache geeignet. Dabei hat es aber dann einen schlechteren Schallschutz und durch die geringere Masse auch eine geringere Wärmespeicherfähigkeit als der Lehmstein. Das ist nicht in jedem Fall tragisch. Frei eingebracht (Spritzverfahren) hinterfüllt es aber z.B. gut Zwischenräume und ist so auch gut geeignet in gewissen Stärken einen Wandausgleich schiefer Wände herbeizuführen. Die Trockenzeiten sind aber dann nicht unerheblich, wenn man neben den Gefachen gleich stellenweise 3 - 5 cm Stärke innen aufbringt.
Eine Innendämmung mit diesem Material aufzubringen halte ich für Fachwerkhäuser und insbesondere kleinere Räume nicht für zielführend.
Warum?
Nun um einen vertretbaren U-wert der Außenwand zu erreichen sind zu große Materialstärken notwendig. Diese verschiebt die Fachwerkholzkonstruktion wieder sehr weit in den Kaltbereich und klaut mir zu viel Innenraum. Deswegen keinesfalls eine sinnvolle Alternative zur Holzfaserdämmplatten Lehm in Lehm gelegt oder gerne auch auf eine Hanf-Kalk Ausgleichschicht geklebt. Oder mit Kalk geputzt (So lange es wirklich Kalk ist und nicht Zement oder Gips mit ein klein wenig Kalkzuschlag).
Wo es aus meiner Sicht eine sehr gute Alternative ist, ist bei Bruchsteinmauerwerk als Alternative zu den langsam aus dem Markt verschwindenden und immer teurer werdenden KaSi-Platten.

Soweit meine bescheidene Meinung. Was soll der Aufwand, wenn die Dämmung nicht genug dämmt - beste Grüße - M.Mattonet
 
AW: Alternative

Vielen Dank für die ausführlichen, qualitativ sehr hochwertigen und daher hilfreichen Antworten.

@Karl-Heinz Hugel:
Die Antwort auf deine Frage, warum ich mir "das gebe" lautet: "Sowohl als auch." Ich habe ein ca. 250 Jahre altes Fachwerkhaus übernommen, das seit vielen Generation in Familienbesitz ist. Nun möchte ich es von "typischen Renovierungssünden" aus den Jahren 1989, 1990 befreien - insbesondere von der "Innendämmung" bestehend aus Gipsfaserplatte, Styropor und Mineralwolle befreien. Hierbei muss ich abschnittsweise vorgehen und werde mir zuerst die Sichtfachwerkwand vornehmen.

Als Novize mit gefährlichem Halbwissen über Bauphysik und völliger Ahnungslosigkeit auf dem Gebiet der Fachwerksanierung habe ich zunächst im Informationsdschungel des Internets recherchiert und mit unterschiedlichen Experten aus Theorie und Praxis geredet. Hierbei bin ich dann neben Lehm und Kalk auch auf den natürlichen Rohstoff Hanf gestoßen. Die durchweg positiven bauphysikalischen Eigenschaften von Hanf insbesondere in Verbindung mit Kalk (und auch Lehm), die Tatsache, dass es sich dabei um einen sehr schnell nachwachsenden hiesigen Rohstoff handelt, sowie die einfache Verarbeitung haben mich überrascht und begeistert. Deshalb dachte ich mir: "Das probier ich aus, das gebe ich mir".

Die Trocknung des erdfeuchten Hanfkalk und der dadurch bedingte Feuchteeintrag ins Fachwerk sind auch meine größten Bedenken. Daher möchte die Dicke der Innendämmung auch auf 7 - 8 cm begrenzen. (Mir ist bewusst, dass ich das alte Haus damit nicht in ein Niedrigenergiehaus verwandeln kann.)

Karl-Heinz, deinen Vorschlag, trockene Lehmsteine (oder auch Hanfkalksteine) als Vorsatzschale zu verwenden und nur den Zwischenraum mit erdfeuchtem Hanfkalk zu füllen, finde ich sehr gut.

Bisher habe ich noch keine weiteren Messungen an meinen Hanfkalk-Testflächen vorgenommen. Vergleichbare Werte zur Dichte, Wärmeleitfähigkeit und -kapazität wie die von Mario genannten habe ich auch in unterschiedlichen Veröffentlichungen gefunden. Eine interessante Veröffentlichung habe ich hier gefunden: https://www.e3s-conferences.org/articles/e3sconf/pdf/2018/24/e3sconf_solina2018_00010.pdf

Schilfplatten als Innendämmung war auch eine Variante, die ich dann aber nicht weiterverfolgt habe wegen der im Vergleich zu Hanf, Lehm oder Holzfaserplatten schlechteren Eigenschaften beim Feuchtetransport und der Feuchtespeicherung.

Ein weiterer Vorteil von Hanfkalk ist für mich die Materialverfügbarkeit und -beschaffung. Die Hanfschäben sind als Einstreu im Heimtierbedarf "um die Ecke" erhältlich und Weisskalkhydrat beim lokalen Baustoffhändler.

@Mario: Herzlichen Dank für deine sehr ausführlichen, hilfreichen und hochwertigen Antworten.
 
AW: Hanf-Kalk

@Markus Mattonet: Herzlichen Dank für Ihre Antwort und Meinung, die ich aufgrund ihrer Expertise sehr schätze. Holzfaser-Dämmplatten insbesondere das UdiRECO System waren ursprünglich auch meine erste Wahl. Leider sind der Holz- und Baustoffmarkt derzeit offensichtlich so angespannt, dass diese Platten bei den von mir angeschriebenen Lieferanten nur mit sehr langen Lieferzeiten (und entsprechenden Preisen) zu bekommen sind. Die Variante "Hanfkalk" ist stellt also auch einen Weg zur Umgehung des derzeitigen Holzmarktes und damit einen Kompromiss dar. Ihren Vorschlag, den Hanfkalk als eine "dünne" (1-2 cm) Ausgleichsschicht zu verwenden, um darauf nach Austrocknung eine weitere Dämmschicht aufzubringen, finde ich sehr interessant und werde ihn bei der weiteren Planung auf jeden Fall in Erwägung ziehen.
 
danke

dies ist wieder ein beispiel dafür, warum ich froh und stolz(?) bin, teil dieser community zu sein.
danke für alle beteiligten dieses fadens und beste grüße
 
Thema: Hanfkalk als Innendämmung im Fachwerkhaus?
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