Lehmbau - Spezialfrage: Bastelei oder ursprüngliche Technik?

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lehmbau-typisch-urspr-ngliche-i30112_2023417221852.jpgHeute mal als Fragesteller, der nur rudimentäre Kenntnisse im Lehmbau hat.

Ich unterfange grade eine Außenwand (d =>80 - 90 cm) zur Trockenlegung.
Der Verkäufer konnte mir leider keinerlei historische Unterlagen zu dem Objekt, das seit min. 200 Jahren im Besitz seiner Vorfahren war, übergeben [(verschlampt (!)].
Laut seinen mündlichen, sehr lückenhaften Informationen resultiert der heutige Zustand (zumindest dieser Außenwand) vermutlich aus drei verschiedenen Epochen.
1. Renovierung nach einem Brand ca. 1890.
2. Erneuerung eines Gebäudeteiles (unbekannter Grund) Anfang 20. Jahrhundert.
3. Umbauten und Gebäudeerweiterungen in den 20er/30er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Im Zuge der Unterfangung, habe ich heute eine recht marode Lehmputzschicht von diesem Mittelpfeiler entfernt und stoße auf die sehr eigentümlichen Holzdübel (Foto).

Meine Fragen:
1. Ist/war diese eigentümliche Mischbauweise (außen Lehmziegel und innen Stampflehm) irgendwann oder auch generell typisch?
- Ich habe das bisher noch nicht gesehen! Sagt ja nichts, weil irgendwann ist immer das erste Mal.
2. Sind diese Holzdübel (meine Vermutung, zur Verankerung des Lehmglattputzes auf dem Stampflehm) für den Lehmbau ganz allgemein typisch?
3. Könnten diese Dübel typisch für eine bestimmte Epoche sein?
4. Handelt es sich eher um eine „Bastelei“ im Rahmen einer der Sanierungsmaßnahmen?

Zum Einen frage ich schon allein um meine Fachkenntnisse zu erweitern (man/frau lernt nie aus),
zum Anderen aber könnte ich, aus fundierten Informationen dazu, vielleicht etwas näher an das Baujahr des Ur- Hauses rankommen.

@HK, aber natürlich auch an eventuell hier noch mitlesende Lehmspezialist/innen ;-).
 
unerfangungsabschnitt-fensterbr-stung-schraubzwingen-i30112_202341723449.jpgWeitere Bilder

zur Wandstruktur. Ja, die Schraubzwingen kommen weg, wenn ich den 4. Unterfangungsabschnitt, die 2. Fensterbrüstung in Angriff nehme.
 
beruhigung-fachleute-natursteintragw-nden-i30112_2023417234151.jpgAch ja, zur Beruhigung aller Fachleute,

die jetzt evtl.Herzrasen haben, weil sie nur die innenseitige Maßnahme von den Fotos erkennen.
Natürlich, wenn auch unbedingt nur kurzfristig, steht die Wand noch auf einer ca. 30 cm dicken Außenschale aus Naturstein!
Puls runter, ich habe nur mit dem oberhalb der Natursteinwand befindlichen "Lehmwandkonglomerat" keine Erfahrung!
Die abschnittsweise Neuunterfangung zur Trockenlegung von Natursteintragwänden und Pfeilern bis d= 130 cm habe ich ca. 10-12 mal absolut erfolgreich in den Jahrzehnten meiner Geschäftstätigkeit durchgeführt!
 
Gewollt oder Flickwerk

Hallo Michael,

wenn ich es auf dem Foto richtig erkenne ist in dem Lehm Stroh enthalten. Wenn dem so ist, ist es kein Stampflehm. Stampflehm ist eine rein mineralische Mischung, die extrem hoch verdichtet wird (bis 2,5 t/m³). Das geht nicht, wenn Stroh, o. ä. dabei wäre.
Ich vermute eher dass es sich um Wellerlehm handelt. Das ist eine Strohlehmmischung, mit der sogar tragende Wände gebaut werden können. Dazu wird der Strohlehm lagenweise aufeinander geschichtet und jeder Lage einfach fest getreten. Anschließend wird das Stroh beidseitig senkrecht abgestochen, um die Wanddicke zu definieren.
In die Wellerwände werden Hölzer mit "eingestampft" oder nachträglich ein geschlagen. Sei es zur Befestigung von Fenster- und Türrahmen, bei langen Wänden manchmal auch zu deren "Aussteifung". "Mauerlatten" und Ringbalken wurden z. B. auch (mittig auf der Wand liegend) mit langen Holzdübel in den Wänden verankert.

Meines Wissens gabs und gibts im Wellerbau keine "traditionelle" oder "übliche" Vorgehensweise, in dem Sinn, dass es für jedes Detail mehr oder weniger genaue Vorgaben hätte.
Wellerbau war eigentlich eher ländlicher "Arme-Leutsbauweise". Die Bauern haben verwendet was sie hatten, Lehm aus der Kuhle am Dorfrand, Stroh vom Acker.

Auf den ersten Blick sieht es wie ein zweischalig gebautes Mauerwerk aus. Außen die Lehmsteinschale als tragendes Element und Wetterschutz, innen die Wellerschale als stabile (mit tragende?) "Innendämmung".
Schaut man sich die Leibung im Fotohintergrund an, scheint die aus Bruchsteinen gemauert zu sein.
Vielleicht wurde die Lehmsteinwand auch nur irgendwann innenseitig mit Wellerlehm repariert, weil die Lehmsteine kaputt waren und es so einfacher und schneller ging, als erst neue Steine herzustellen....???....
Die Hölzer dienten wohl nur zur Stabilisierung/Halt der Leibungsecke, bzw. eines Strohlehmbewurfs, einer ersten, dicken Lage "Langstroh-Unterputz".

Wie gesagt, diese Technik war sehr frei. Mir sind dazu keine bestimmten, epochentypischen Bauweisen oder Merkmale bekannt. Allerdings bin ich dazu vielleicht auch "zu weit weg vom Schuß", Wellerbau gabs überwiegend in Ostdeutschland. Bei uns in der Region ists eine absolute Rarität.
Mehr dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Lehmwellerbau

Gruß,
KH

Edit: Hat sich überschnitten.... Mit "auf dem Foto" meinte ich das erste.
 
innenwandansicht-au-enschale-i30112_2023417234750.jpgWeitere Bilder

zur Außenschale und der Innenwandansicht.
 
interessant-foto-putzabklopfen-i30112_20234180448.jpg@ KH, interessant, ich hab da noch ein Foto

[...] Hölzer mit "eingestampft" oder nachträglich ein geschlagen. Sei es zur Befestigung von Fenster- und Türrahmen,[...]
Schau mal die linke Leibung an (siehe Vertiefung).
Da kam unter dem Putz ein Eichenbrett zum Vorschein, es fiel aber beim Putzabklopfen mit raus!
Das könnte doch sowas sein!
 
[...] Wenn ich es .

auf dem Foto richtig erkenne ist in dem Lehm Stroh enthalten auf dem Foto richtig erkenne ist in dem Lehm Stroh [...]
Ich finde in der fotografierten Lehmpartie weder Stroh noch Haar oder sonstiges Bindematerial.
Das Foto täuscht also!
Dein Hinweis auf die Wellerkonstruktion ist aber erst mal interessant.
Und ja, gerade dieses etwas konfus anmutende Konglomerat aus Lehmziegeln, Lehm und Naturstein irritiert mich doch.
,
 
[...] Ostdeutsche Wellerbauweise [...]

Die Größe des Gehöfts und
die Steinbrüchen im Familienbesitz, widersprechen eher deiner These vom "Armeleute-Bau".

Wellerbau im allgemeinen fällt also „vermutlich“ aus.

Interessant ist, der Vergleich von uralten Katasterplänen mit den aktuellen zeigt, dass die heutige Außenwandkante des Hauses (wenn auch geringfügig) über die ursprüngliche Grundstücksgrenze hinaus zu ragen scheint.

Mein Defizit:

Ich bin gebürtiger Niederbayer, da kennt man diese „Weller-Bauweisen“ absolut nicht.

Nebenbei:
Kennst du aus deiner Praxis diese Holzbogenstreben über den Rundbogenfenstern?
Statisch (da versteh ich etwas mehr, als vom Lehmbau) konnten die ja, so wie vorhanden, wirklich nicht wirksam sein.

Und nochmal Nachfrage:

Hast du diese Holzdübel- Stöpsel, oder was das auch immer auf dem ersten Foto sind, schon mal irgendwo gesehen?
 
NICHT EINFACH NACHMACHEN!

NICHT EINFACH NACHMACHEN!
Ausdrücklicher Hinweis aus haftungsrechtlichen Gründen, nachdem ich nochmal nachgedacht habe
und aus gegebenem Anlass!

An alle Mitleser, die nicht über die notwendige und gesetzlich vorgeschriebene Profession verfügen vergleichbare Unterfangungsarbeiten an tragenden Wänden durchführen zu dürfen:

Die von mir veröffentlichten Fotos sind ausdrücklich nur im Zusammenhang mit meiner Frage an die Fachleute der Forumsgemeinschaft zu verstehen!

Sie dürfen meine Fotos nicht als Anregung oder gar „Bau-Anleitung“ verwenden, ähnliche Baumaßnahmen, die selbstredend „Leib und Leben“ gefährden können, als Laie durchzuführen!

Alle, von mir fotografisch festgehaltenen, Arbeiten an tragenden Wänden dürfen ausschließlich nur von Fachunternehmen mit entsprechendem Befähigungsnachweis erfolgen!
 
Holzdübel

Nicht dass du mich falsch verstehst, ich interpretierte nur dass es sich um Wellerlehm handelt.
Wenn dem so ist, dass da kein Stroh drinne ist, dann ist es Stampflehm. Auch in Stampflehm wurden/werden Hölzer mit eingestampft, um daran irgendwelche Bauteile zu befestigen.
"Hast du diese Holzdübel- Stöpsel, oder was das auch immer auf dem ersten Foto sind, schon mal irgendwo gesehen?"
Solche live noch nicht, auf Bilder schon. Wie gesagt, das sind im Prinzip "Dübel", wie sie z.B. in späteren Jahren Elektriker eingegipst haben um daran Aufputz-Schalter/-Steckdosen anzuschrauben.
Ich habe mal eine Wand gesehen die mit hunderten von Holzstäbchen, möchte fast sagen "größere Zahnstocher", gespickt war. Das waren definitiv Putzträger.

Wozu das Eichebrett an der Stelle war, weiß ich nicht, habe ich keine Idee.
Die hölzernen Bogenstreben wurden vermutlich eingebaut um die Leibung als Rundbogen zu formen. Die waren wahrscheinlich mit Schilf/Reet oder anderem Putzträger überspannt und eingeputzt. In der Praxis sind mir solche noch nicht untergekommen. Ich vermute das gerade nur anhand deiner Fotos. Gebaut habe ich sie bisher aus Steinen oder Dämmplatten.

Gruß,
KH
 
Den abgelösten Lehmputz

hab ich in einer Wanne aufgehoben, er ist mit Stroh gemischt.
Einweichen und wieder aufbringen dachte ich (nur die Lehmwandbereiche) und abschließend mit einer Lage feinem Lehmputz glätten.
Oder Bedenken deinerseits?
Die Natursteinbereiche, ebenso die Holzkonstrukte sollen Sicht bleiben.
Radlerübernachtung mit rustikalem Ambiente.
 
Lehmbau...Lehm wieder verwenden

Im Prinzip kannst du sehr gut den alten Lehm einweichen und wieder auftragen.
Problematisch kann es werden, wenn in dem alten Lehm Schadstoffe (z.b. Salze) enthalten sind.
Am besten ist es zu recherchieren, ob diese Räume als Ställe genutzt wurden. In diesem Fall sind höchstwahrscheinlich Nitrite usw. enthalten. In diesem Falle würde ich von einer Wiederverwendung als Baustoff abraten...
Kuck dir auch das Wasser an. Wenn ein öliger Film drauf schwimmt ist es ebenfalls nicht ratsam, den Lehm als Baustoff zu verwenden.
Wenn du denkst, dass der Lehm schadstofffrei ist, dann gibts keine Bedenken gegen den Plan: ran an die Wand und mit Ober- oder Feinputz nochmal drüber...
 
Holzdübel stöpsel..

Moin
Ich Vermute mal es Handelt sich um die Überreste einer Historischen Wandvertäfelung die unten auf einer Lambris stand und in Der Leibung nur angeheftet wurde...
Sowas findet man ab und zu in Herrschaftlichen gebäuden..
Vermutlich war es mit Schnitzereien verziert o.ä.
aber das mit den Holznägeln hat im prinzip nix mit den Lehmbauern zu tun sondern mit den Nachfoldenden Tischlern..:)
greets Flakes
 
Thema: Lehmbau - Spezialfrage: Bastelei oder ursprüngliche Technik?
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