Öffentliches Recht vs. Privatrecht
Hallo Morena,
Grenzstreitigkeiten gehören vermutlich zu den häufigsten Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn. Bei Abstandsflächen gibt es die Regelungen gem. Landesbauordnung, die materiell-rechtlich für das Erlangen einer Baugenehmigung notwendig sind und die privatrechtlichen Abstandsflächen gem. landesspezifischem Nachbarrechtsgesetz.
Folge: es kann durchaus eine Baugenehmigung vorliegen, die jedoch mit dem Nachbarrecht kollidiert. Deshalb erhält im Regelfall der Nachbar eine Ausfertigung der Baugenehmigung, um durch seine Unterschrift alle ev. nachbarrechtlichen Beanstandungen auszuschließen. Wird nicht so verfahren, ist es beim genehmigungspflichtigen Bauvorhaben genauso wie bei den genehmigungsfreien (aber ggf. anzeigepflichtigen) Vorhaben: der Nachbar muss seine Rechte eigenständig prüfen und wahrnehmen.
Bei Sanierung / Erneuerung spielt der Bestandsschutz eine Rolle: existieren bereits Öffnungen / Anbauten innerhalb der Abstandsflächen, wie Fenster, Terrassen, Balkone, dann führt eine Erneuerung ohne Nutzungsänderung nicht zum Verlust des Bestandsschutzes. Werden lediglich alte Fenster gegen neue ausgetauscht, hat der Nachbar keine neuen Widerspruchsrechte, wenn die Fenster materiell-rechtlich den landesbaulichen Vorschriften entsprechen. Nachbarrechtlich gilt eine vorherige schriftliche Zustimmung weiter fort, ebenso wie die "stillschweigende" Zustimmung durch Ablauf der nachbarrechtlichen Widerspruchsfrist, die in vielen Bundesländern im Nachbarrecht enthalten ist.
Wird jedoch auf einer Grenzwand eine neue Terrasse gebaut, geht der Bestandsschutz der Grenzwand nicht auf die Terrasse über, da sich die Nutzung ändert. Auch eine neue, ebenerdige Terrasse innerhalb der Abstandsflächen als Grenzbebauung muss vom Nachbar genehmigt werden. Entweder schriftlich oder stillschweigend durch einspruchslosen Fristablauf.
Bei derartigen Vorhaben sollte man zuerst die Landesbauordnung studieren, ob Anzeige-oder gar Genehmigungspflicht besteht und dann im Nachbarrechtsgesetz des Landes die privatrechtlichen Vorschriften prüfen.
Gruß
AallRounder